“Ich habe keine Hundeerfahrung. Ich hatte noch nie einen Hund. Aber ich habe 2 Katzen und hatte als Kind immer Kaninchen!” – mit diesen unschlagbar guten Argumenten überzeugte ich die Auswahlkommission der Hundestaffel. Oder war es ein anderer Grund, warum ich die Stelle erhielt? Egal, mein Traum wurde wahr.
Ein paar Wochen später fuhr ich mit meiner zukünftigen Kollegin nach Südfrankreich zum Züchter und suchte mir aus 8 Welpen meine Hündin aus. Da meine Katzen ebenfalls nach Getränken bezeichnet waren, fiel mir der Name für meine Hündin recht schnell ein. 3 Wochen später fuhr ich erneut nach Südfrankreich und holte sie endlich ab.
MEINE HÜNDIN. Naja, fast. Meine DIENSTHündin. Gehören sollte sie dem Bundesland, in dem ich damals tätig war. Aber es fühlte sich nicht so an. Sie war mein Welpe. Mein Baby. Bloodhound-Welpen gelten mitunter als die süßesten Welpen der Welt.
Zugegebenermaßen verlieren diese Hunde etwas an Attraktivität, wenn sie erwachsen sind. Ihren Charme hingegen verlieren sie nie. “Als Gott den Bloodhound erschuf hat er seinem Humor freien Lauf gelassen!”, habe ich mal gelesen. Das stimmt.
Was macht man nun mit so einem Welpen, wenn man 1. keine Ahnung von Tuten und Blasen hat und 2. mit diesem irgendwann im besten Fall Menschenleben retten möchte. Ausbildung. Tag aus Tag ein. Hund ausbilden, Mensch ausbilden.
Was für ein Privileg, seinen Hund mit zur Arbeit nehmen zu können! Und dann auch noch beruflich das zu machen, was andere Menschen nach ihrer normalen Arbeit nachmittags oder am Wochenende für viel Geld tun! Ich habe diesen Job geliebt. Und ich habe mich augenblicklich in diesen Hund verliebt.
Mein Leben schien perfekt mit meiner kleinen Stinkmaus. Stinkmaus beschreibt das Tier ganz gut. Je größer sie wurde, desto mehr entwickelte sich der bloodhoundtypische Eigengeruch. “Schön, dass Sie da sind. Ich habe Sie schon gerochen!”, begrüßte uns die Tierärztin regelmäßig.
Oder: “War der Hund hier?” fragte man mich skeptisch und beäugte angeekelt eine 10 cm lange Schleimspur an der Stereoanlage. Wir konnten nichts verheimlichen. Bloodhounds verraten sich immer. Und Bloodhoundsabber geht NIE wieder weg. Und mit nie meine ich nie. Da hilft nur ein schwarzer Edding oder neue Tapete.
Bloodhounds liebt man oder hasst man. Es gibt nichts dazwischen. Jemand, der einen Bloodhound hält, muss hart im Nehmen sein. Oder, wie ich, eine kaputte Nase haben, dann geht es eigentlich ganz gut mit dem Geruch. Vor allem aber braucht es eine große Portion Humor und Selbstironie. “Klonk!” hörte ich es laut. “Nicht schon wieder.” Sie schüttelte sich kurz, sodass die Fetzen flogen und dann lief sie weiter. Sie war schon wieder gegen die Glasfassade der Bushaltestelle gerannt. Aber es störte sie nicht.
Sie war auf der Spur. Im Galopp polterte sie zum Menschen, der sich aus Trainingsgründen für sie versteckte. Als sie ihn fand stellte sie sich auf die Hinterläufe und war so groß wie der Mensch selbst- als Belohnung gab es leckere Leberwurst aus der Tube…. das essen sie alle gern. Ab und zu gab es auch mal Käsewürfel aber einige Helfer weigerten sich, ihr diese kleinen Würfel hinzuhalten, denn was passiert, wenn ein durstiger, erschöpfter Bloodhound mit seinen riesigen hängenden Lefzen versucht, Käsewürfel aus der Hand zu fressen, kann sich jeder vorstellen. Wie gesagt, Bloodhoundsabber geht nie wieder weg.
Mich hat das nie gestört. Ich habe es geliebt die sanfte Schnauze zu berühren. Nicht mal die Haut meines Sohnes war als Baby so weich, wie die fellige Nase meiner Stinkmaus. Ich habe mit ihr geschmust… ab und zu durfte sie auch mal im Bett schlafen. Aber nur, wenn wir im Hotel waren. Zu Hause hätte uns mein damaliger Partner augenblicklich verlassen.
Ich kann mich noch gut erinnern, als wir in Bayern waren, um beim Vermissten-Training teilzunehmen und deshalb im Hotel untergebracht waren. Eines Abends musste ich noch einmal zum Auto und ließ die Hündin kurz allein im Hotel. Brav lag sie auf dem Boden. Als ich nach 2 Minuten zurück kam, lag sie komplett ausgestreckt im Bett. Sie lag da original wie ein Mensch. Und war bereits im Tiefschlaf. Natürlich…! Ganz unauffällig und wie selbstverständlich lag sie da. Ich schaute kurz auf die Hundedecke und dachte tatsächlich kurz darüber nach, ob ich….. nein.
“Vergiss’ es!”, sagte ich zu ihr. Aber da man bekanntlich keine schlafenden Hunde wecken soll, habe ich mich umgezogen und die Hündin zur Seite geschoben. Zumindest habe ich es versucht. 40 km schlafende Masse müssen erstmal bewegt werden. Ich habe schließlich ihr Vorderbein hochgehoben und mich drunter geschoben. Gesicht an Gesicht und wahrlich eng umschlungen schliefen wir ein. Dass sie nach Leberwurst roch, störte mich nicht. Ich genoss diese Zweisamkeit einfach. Ich weiß, andere Menschen würden kotzen, wenn sie mit einem Bloodhound in einem Bett schlafen müssten. Ich nicht. Es war wahre Liebe. Ein Bloodhound gibt diese mit jeder Faser seines Wesens zurück.
Leider läuft es im Leben nicht immer so, wie man es sich erhofft und nicht jede Geschichte hat ein Happy End. Ich kann und darf hier nicht ins Detail gehen. Ich kann nur so viel sagen, dass es Menschen gibt, die, sagen wir mal, einem nicht das Salz in der Suppe gönnen. Es gibt Menschen und leider auch Arbeitskollegen, die abends zu Hause sitzen und Strategiespiele spielen. Vielleicht hatten sie eine schlechte Kindheit und sind deshalb der Meinung über das Wohlergehen anderer Menschen entscheiden zu wollen. Oder sie sind aus anderen Gründen einfach schlecht.
Zumindest gibt es sie und offenbar war ich zur falschen Zeit am falschen Ort. Obwohl die Ausbildung wunderbar lief und Stinkmaus und ich ein gutes Team waren, wurde meine nicht vorhandene Vorerfahrung immer wieder zum Thema gemacht. Wohlbemerkt “gemacht”, denn sie war eigentlich kein Thema. Aber irgendein Futter musste man schließlich finden.
Es kam, wie es kommen musste. Meine Stinkmaus wurde mir weggenommen. Streng genommen habe ich sie offiziell freiwillig hergegeben. Dass man mir vorher sagte, dass man mich “komplett dienstunfähig” schreiben werde, und mich dadurch “leicht” unter Druck setzte, würde ich mich charakterlich nicht um 180 Grad drehen, lasse ich hier besser mal unerwähnt. Jetzt habe ich sehr genau gespürt, dass die Hündin nicht mir, sondern der Institution gehörte.
Der 3.12.2011. – der schlimmste Tag meines Lebens. Mein größter Traum wurde zu meinem größten Alptraum. Ich habe Stinkmaus seit diesem Tag nie wieder gesehen. Und obwohl es bereits 4,5 Jahre her ist, muss ich mir die Tränen verkneifen, wenn ich an diesen Abschied denke.
Aber ich habe bis heute gelegentlich Kontakt zu ihrer neuen Besitzerin. Der Stinkmaus geht es gut. Für mich war diese Erfahrung ein Wendepunkt in meinem Leben. Es waren die schönsten schlimmsten 1,5 Jahre in meinem Leben mit meiner Hündin. Danke, dass du bei mir warst.
Danke für’s Lesen.
“Erzähle uns eure Geschichte” hat nicht immer ein Happy End. Dieser Beitrag ist von einer guten Freundin, die gerne anonym bleiben möchte. Natürlich respektiere ich ihren Wunsch. Als sie mir das erste Mal davon erzählte, konnte ich es gar nicht glauben. Wer mag sich so etwas vorstellen, den geliebten Hund von heute auf morgen einfach abzugeben?!
Lieben Dank für deine Offenheit und das du uns eure Geschichte anvertraut hast.