Frida | Mein Seelenhund

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Frida | Mein Seelenhund

Wann ist der richtige Punkt gekommen, um Abschied zu nehmen?

Niemals.

Wenn der Seelenhund plötzlich seinen Koffer packt und in eine andere Richtung blickt, dann blutet das Herz, denn man kann nichts machen. Frida und ich haben diesen wahnsinnigen Sommer 2018 genossen, Hamburg endlich „Auf Wiedersehen“ gesagt und ich dachte, jetzt kommt unsere Zeit. Jetzt können wir endlich wieder durchatmen, ankommen, neue Pläne schmieden.

Was für ein Quatsch. Wenn ich meine letzten Posts auf Facebook lese, dann wird mir ganz anders. Schreibe ich doch genau das, dass ich eigentlich keine Pläne mehr mache, denn in den seltensten Fällen kann man sie wirklich einhalten. So ist es auch jetzt. Anstelle unseren Reiseplan für 2020 vorzustellen, muss ich mit der Vorstellung leben, dass ich dieses Jahr ohne Frida abschließen werde. Wenn kein Wunder geschieht.

Sie hat Krebs.

Ich hatte es immer vermutet und jedes Mal wurde ich doch von irgendeiner Macht und dieser Nachricht geschützt. Irgendein Spielverderber hat uns genau jetzt einen Strich durch unsere schöne Rechnung gemacht. Ich weiß nicht warum. Man kommt auf die dümmsten Gedanken, um sich das ganze plausibel zu reden. Von „ich bin ein schlechter Mensch gewesen“ zu „jeder muss mal gehen“, ist alles dabei. Nur schafft es keine Erleichterung.

Auch wenn ich hier mit einem gewissen Galgenhumor schreibe – den hat mich mein Hund gelehrt – sitzt in mir ein Schmerz, der mich vernichtet. Er brennt alles nieder, was mir so heilig ist. Wenn die Hoffnung geht, dann bleibt nur noch Zerstörung. Dieser kleine Hund ist mein Leben, mein ein und alles und es mag seltsam sein, dass ich es so empfinde aber niemand war in den letzten Jahren so nah an mir dran, wie sie. Sie weiß als einzige, wie es in mir aussieht und genau deshalb beschleicht mich die Angst, dass sie ihren Koffer (noch) missmutig hinter sich herzieht.

Sie schaut mich mit ihren großen Kulleraugen an „Kann ich dich alleine lassen?“. Mir bricht es das Herz, zum zweiten Mal. Sie zu verlieren ist entsetzlich aber dieses diffuse Gefühl, sie lässt wegen mir nicht los, kann ich kaum ertragen. Aber wie soll man sich verhalten? … Ich habe beschlossen, mich nicht zu verstellen. Es würde auch garnicht gelingen. Unsere Hunde spüren so viel. Sie wissen, wie es uns geht. Selbst wenn wir die Gefühlsduselei zur Seite schieben, bekommen Hunde unseren Hormoncocktail mit und dieser wird bei mir sicher nicht nach Happiness riechen. Also füge ich mich dem Schicksal, genau wie sie. Und sie ist die Tapferere von uns beiden, da gibt es nichts zu beschönigen. Sensibel sind wir beide und davon lebt auch unsere Verbindung.

Ich sage ihr jeden Tag, dass es ok ist, loszulassen.

Dass sie gehen darf, dass ich es schaffe, nicht aus dem Fenster zu springen und das ich weiß, dass sie trotzdem bei mir bleibt, wenn ihr kleiner Körper unter einem Apfelbaum schlummert. Aber irgendwie will sie dann doch nicht. In ihr wüten Blutarmut und Zellen, die ihre Leber zerstören. Gestern ist sie kollabiert und war schon dem Tode näher als dem Leben. Trotzdem kämpft sie sich zurück, ohne Hilfe. Sie sagt einfach „Leck mich!“. Hunde lehren uns, wie Leben funktioniert. Sie nehmen jeden Augenblick, wie er kommt. Wer jetzt auf die Idee kommt, ich würde sie ihrem Schicksal einfach überlassen, der ist schief gewickelt.

Vor vielen Jahren habe ich meinen Dalmatiner einschläfern lassen, weil er nicht mehr laufen konnte. Er litt und irgendwann musste ich mich entscheiden. Ich weiß bis heute nicht, ob das richtig war. Bei Frida habe ich mich auch entschieden, nach vielen Gedanken und nicht aus dem Impuls heraus, es richtig machen zu müssen! Sie wird bei mir sterben. In ihrer Zeit. Sie bekommt Schmerzmittel und das war es. Durch die Blutarmut wird sie einfach schwächer und wird einschlafen und nicht mehr aufwachen. Gibt es vorher Komplikationen, kann ich immer noch meine Tierärztin zu mir nach Hause bitten. Aber ich wünsche mir für meinen Hund einen normalen Tod. Ich will der Verantwortung weder aus dem Weg gehen, noch möchte ich in Aktionismus verfallen was das Thema Einschläfern betrifft.

Ja, draußen wäre sie schon gestorben aber sie lebt nicht wie ein Wildtier und sie wird weder künstlich am Leben erhalten noch leidet sie. Ich will für sie da sein, bis zum Ende. Ich glaube auch, dass viele Menschen – und ich finde das vollkommen verständlich – es einfach nicht ertragen können, ihre Hunde auf so einem Weg zu begleiten. Jeder kann sich entscheiden. Es gibt kein richtig und kein falsch. Wer jetzt wieder das große Diskutieren anfangen möchte, dem kann ich nur raten, es zu lassen!

Frida …

… liegt zu meinen Füßen in der Küche. Sie hat gefrühstückt, wir waren draußen zum Pipi machen und ich helfe ihr dabei, wo es hakt. Laufen kann sie kaum noch. Auch etwas, woran ich mich gewöhnen muss. Diese kleine Nervensäge lässt sich tragen, wie eine Prinzessin. Sie hat es gehasst,  bis letzte Woche. Auch die Jammerei hat ihr Ende gefunden. War sie immer mitteilsam und auf dem Sprung, hat sie jetzt beschlossen, dass ich einfach verstehen muss, was sie braucht. Sie hat mich jahrelang erzogen! Sie hat die Kontrolle abgegeben, zeigt mir aber dennoch die Zähnchen, wenn ich ihre Nase befeuchte oder ihr gekochtes Hühnchen hinhalte … sie ist trotzdem immer noch die Alte. Und das ist schön so.

Abends liegt sie neben meinem Bett auf ihrem Kissen. Ins Bett möchte sie nicht. Auch das ist irgendwie anders. Trotzdem bin ich glücklich, dass sie es ausdrücken kann und ich sie nicht zwinge, an mir dran zu liegen. Wir kennen es selber, wenn es uns nicht gut geht, ist manchmal eben alles zu viel. Ich weiß aber auch genau, wann kraulen angesagt ist und das genießt sie in vollen Zügen. Man kann jetzt sagen, ich interpretiere. Ja, das mag sein aber niemand kennt sie so gut, wie ich. Ich muss mir nichts mehr einreden.

Was kann ich schreiben, damit es “mir” besser geht? Nichts. Aber ich hatte das Gefühl, dass ich darüber reden wollte, irgendwie. So viele von euch haben mich angeschrieben und ich kann es verstehen. Es geht auch nicht um mich, es geht um Frida. Wenn sie eines Tages wirklich nicht mehr da ist, dann wird ein neuer Hund kommen. Das ist nicht herzlos, sondern einfach die logische Konsequenz.

Wenn ich für jemanden tiefe Zuneigung empfinden kann und bereit bin zu geben, aus vollstem Herzen, dann ist es ein Hund. Ich kann nicht ohne sein, ich würde kaputt gehen. Frida wird immer immer immer immer meine Seelenhündin sein und bleiben. Ihren Platz kann niemand mehr einnehmen. Einen neuen Hund mit ihr zu vergleichen oder danach zu suchen, wäre fatal. Deswegen werde ich mit offenem Herzen und viel Gefühl nach einer neuen Herausforderung Ausschau halten, wenn ich soweit bin. Bis dahin werde ich meinem Vierbeiner das angenehmste Lebensende schenken, dass sie sich hoffentlich vorstellt und allemal verdient!

„Hunde leben nur in der Gegenwart, haben keine Angst vor der Zukunft und hadern nicht mit der Vergangenheit.“ // Amy Tan

Das las ich gestern bei einer Freundin, deren Hund vor kurzem auch gegangen ist, nur ein Jahr jünger. Ich dachte noch bei mir, dass ich es nicht ertragen könnte, wenn Frida … Das hat sich geändert, denn ich muss. Im Sinne meines Hundes und aus lauter Dankbarkeit, was sie alles für mich getan und auch ertragen hat.

Noch haben wir Zeit und die werden wir gemeinsam erleben und meistern. Auch wenn mir Tränen über das Gesicht laufen, weiß ich, dass ich sie irgendwann, irgendwie wiedersehen werde. Dieser Gedanke hilft mir, doch irgendwie stark zu sein und nicht einfach aufzugeben. Das habe ich von ihr gelernt. Aufgeben ist nicht!

Danke Frida ♡♡♡

KategorieHochsensibilität Hund und Verhalten

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  1. Ja, sie reißen ein großes Loch in unsere Herzen. Etwas, was nicht zuwachsen kann aber überlagert wird, von vielen schönen Erinnerungen und Bildern. Ich wünsche dir von Herzen ganz viel Kraft. Es hört sich für mich nach einer wunderschönen Liebesgeschichte zwischen euch beiden an. Halte sie gut fest. Sie ist kostbar und vielleicht auch einzigartig. Alles Liebe, Nina

  2. Danielle 4. Januar 2020

    Genauso, wie du es beschreibst, war es mit meinem Berner Sennenhund Joey.

    Auch er hatte Krebs, vermutlich schon lange.
    Bemerkt, dass etwas mit ihm nicht stimmt, habe ich erst im September.
    Plötzlich fing er auf dem rechten Hinterbein an zu lahmen, wollte nicht mehr ins Auto, konnte nicht mehr gut Treppen steigen.
    Nach Röntgen und Blutabnahme kam raus – er hatte Krebs und würde innerhalb der nächsten Wochen sterben.

    Für mich brach mit dieser Nachricht die ganze Welt zusammen.
    Er war mein Schatten, mein Lebensretter, ein Teil von mir.
    Ohne ihn zu sein war unvorstellbar.

    2 Monate und 5 Tage blieben uns ab diesem Zeitpunkt noch und die habe ich Joey so leicht und hoffentlich schön gemacht, wie ich nur konnte.
    Er bekam Cortison und Schmerzmittel, auf lebensverlängernde Maßnahmen habe ich verzichtet – ich wollte ihm in der kurzen, noch verbleibenden Zeit keinen zusätzlichen Schmerz und Stress zufügen.
    Ich passte mich seinem Tempo an, in jeder Lebenslage, trug ihn, wenn er nicht mehr konnte, half ihm, wenn sich überschätzt hatte und zu schwach war.
    Er wurde noch anhänglicher, wich mir nicht mehr von der Seite, fraß nur noch, wenn ich ihn von Hand fütterte, zum Schluß fütterte ich ihn Krümel für Krümel und putzte ihm den Po ab wie einem Baby (er konnte nicht mehr hocken).
    Oft, v. a. nachts saßen wir einfach nur da und schauten uns an.
    Er war nie “gesprächig” gewesen, jetzt hielt er richtige Volksreden, erzählte, brummte und grummelte, v.a. wenn ich von Arbeit kam, 2mal heulte er wie ein Wolf.
    Vorher schlief er immer im Untergeschoss, in diesen letzten Wochen schleppte er sich Abend für Abend nach oben und schlief bei mir.
    Den letzten Abend musste ich ihn tragen, er wollte nach oben und konnte nicht mehr.

    Der Tierarzt konnte es kaum fassen, dass Joey noch so lange durchhielt – ich glaube, er wollte mich noch nicht allein lassen.

    Am 30.12.2019 aber konnte und wollte er nicht mehr.
    Ich hatte ihm versprochen, dass ich ihn gehen lasse, wenn er entscheidet, dass es soweit ist.
    Daran habe ich mich gehalten, auch wenn es mir fast das Herz aus der Brust gerissen hat.
    Bis die Narkose schließlich wirkte, schaute er mir ganz fest in die Augen und starb mit seinem Kopf in meinem Schoß.

    Die Liebe und das Vertrauen, dass er mir in diesen letzten 2 Monaten gezeigt hat, waren wunderschön und ich hoffe sehr, dass auch er spüren konnte, wie lieb ich ihn hatte.

    Er fehlt mir unendlich.

  3. der weisse hund 2. September 2018

    Liebe Dagmar,
    ich danke dir für deine Zeilen. Und es ist überhaupt nicht unangemessen zu schreiben, dass man auch diese Zeit miteinander genießen sollte. Auch in dunklen Momenten gibt es ganz helles Licht für uns beide.
    Nina & Frida

  4. Liebe Nina, das ist so traurig, aber tatsächlich klingen deine Zeilen auch hoffnungsvoll. Für deine Hündin da zu sein, gerade jetzt, ist das seelenvollste, was du ihr geben kannst. Das spürt sie und du hilfst ihr, krank sein zu dürfen und täglich viele Momente zu geniessen. Unsere kleine Khara verabschiedete sich mit 16,5 Jahren und die letzten Wochen, Tage waren wir unzertrennlich, ich hatte sie 24 Stunden bei mir, ließ sie nicht mehr allein. Sie bekam schmerzlindernde Medikamente, allerbestes Futter, nachts eine Windel… und verhielt sich zu all dem rührend kooperativ. Und im Herzen berührt waren fremde Menschen, denen ich mit meinem sehr langsamen Hündchen auf der Strasse begegnete, vielen sind wir da in Berlin auf dem Weg zum Büro begegnet, die mir das sagen wollten. Ich wünsche euch beiden, dass ihr diese nun kommende sehr intensive gemeinsame Zeit auch etwas miteinander genießt, wenngleich das jetzt unangemessen klingen mag. Und ich wünsche Frida eine schmerzlose und friedvolle Zeit auf dieser Welt und dir Nina, Trost dadurch, dass du die Zeit mit ihr zusammen erlebst. Herzvolle Grüße, Dagmar

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